Die Stationierung der Systeme R-5M/8K51 (SS-3/Shyster) 

Im Dezember 1958 wurden für kurze Zeit (bis Sept. des folgenden Jahres) 2 Raketenabteilungen und 2 Feldmontageeinheiten (BRTB/пртб) aus der UdSSR (Medved 58°18'24.20"N 30°30'37.05"E) nach Vogelsang und Neuthymen (bei Fürstenberg) verlegt.

Die 635. Raketenabteilung/оидн (в/ч пп 25915) und die 432. prtb/пртб (в/ч пп 42610, Feldmontageeinheit) wurden teilweise in den Raum der Garnison Vogelsang verlegt (hier Militärstädtchen Nr. 13). In den Raum Neuthymen wurden verlegt, die 638. Raketenabteilung/оидн (в/ч пп 14159) und die 349. prtb/пртб (в/ч пп 14318, Feldmontageeinheit). Unklar ist bisher welche Räume für Lagerung und Unterbringung der Komponenten rund um Vogelsang und Neuthymen (bei Fürstenberg) zu dieser Zeit genutzt wurden. Beide Brigaden (auch Neuthymen) gehörten zur 72. Ing. Brigade/72-я инженерная бригада РВГК. Ich nehme an, dass im Dezember 1958 die Abteilungen und Brigaden ohne die Trägersysteme und die dazugehörigen Gefechtsköpfe der R-5M in der DDR eintrafen. Die Zeit zwischen Dezember 1958 und April 1959 würde ich der Nutzungsvorbereitung und/oder zur Herstellung der Gefechtsbereitschaft zu ordnen. Diese Vermutung stützen auch die Berichte der Partnerdienste des BND (Identifizierte Bahntransporte April 1959, siehe Standortdatei des BND und Quarterly Intelligence Review 31 March 1961). Dort sind entsprechende Transporte im April 1959 nach Vogelsang und Neuthymen vermerkt, die Rückschlüsse zu lassen könnten, dass es sich hier um Komponenten der Systeme R-5M handelt, die für eine volle Gefechtsbereitschaft unabdingbar sind. Kommandeur der in die DDR verlegten Brigaden war GO Cholopow, Alexander Iwanowitsch.

Ihr mitgeführtes System, die R-5M, war eine strategische Rakete mit der Fähigkeit, einen nukleare Gefechtsköpfe (Mono GK) bis zu 1200 km weit zu tragen (Flugzeit ca. 11 min.). Eine höhere Zahl der GK ging zulasten der Reichweite.
Nach Aussagen anderer Analysten soll es sich um die Einheit в/ч пп 18300 handeln. Diese wurde in den Auswertungen der Analysten im Jahre 1961 zweifelsfrei mit der Stationierung in der DDR in Verbindung gebracht. Hingegen gibt der Informant O. Penkovsky in den Gesprächen mit seinem Londoner Kontakt an, dass 1959-1960 lediglich R-11 (Scud-A) und R-30 (FROG/Free Rocket Over Ground) in der DDR stationiert wurden. Gleichzeitig wird aber auch den strategischen Raketentruppen im Jahre 1961 eine Rolle in der DDR zugeschoben (Marschall K. S. Moskalenko). So gehen die Hinweise im Laufe der Jahre ihre eigenen Wege. Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen, solange die entsprechenden Archive in der Russischen Föderation für Militärhistoriker geschlossen bleiben. [10]

Die entsprechenden Merkmale der Stationierung befinden sich noch heute im Militärstädtchen Nr. 13 (2 Bogendeckungen, Fahrzeughallen etc.), auf dem Übungszentrum (UZ) und in den angrenzenden Wäldern (Gefechtsstartstellungen im Feld/боевая стартовая позиция). Eine "Feldstellung" für das System R-5M ist bekannt und wurde ausgiebig dokumentiert. Jedoch sind wir der Auffassung/Überzeugung, dass es sich bei dieser um eine "Startposition zur Gefechtsausbildung im Feld (УПБСП/учебную полевую боевую стартовую позицию) handelt. Es fehlen die notwendigen Strukturen der Entfaltung. Ebenso sind die Positionen der Leitstrahl-Antennen unbekannt (System TRAL). Die gefechtsbereiten Feldstellungen sollten/müssten sich im weiteren Umfeld der Garnison befinden. Die Normativen für die Entfaltung bzw. Gefechtsbereitschaft sind bekannt. Die Suche danach gleicht der "Nadel im Heuhaufen", was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. 

Die Resolution ЦК КПСС и СМ СССР № 589-365сс zur Vornstationierung der Systeme R-5M in der DDR kam am 26. März 1955, unterzeichnet vom damaligen sowjetischen Partei- und Staatschef Nikita S. Chruschtschow und dem damaligen Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Nikolai A. Bulganin. Im Jahr 1958 gab der Verteidigungsminister Marschall Malinowski den Befehl zur Verlegung in die DDR (Vogelsang/Neuthymen). Vor der Stationierung auf dem Gebiet der DDR gab die Regierung der UdSSR am 31.03.1958 an den Kongress der USA, das Parlament von GB, die Bundesregierung der BRD und alle Parlamente auf der Welt eine Erklärung ab, in der vor den Gefahren von Atomwaffen und Wasserstoffbomben gewarnt wurde. Gehört hat darauf niemand erst daran anschließend wurden 2 Raketenabteilungen und die BRTB aus der Reserve des Oberkommandos mit je 2 Feuerbatterien und 2 Startrampen nach Ostdeutschland verlegt. Der Kampfsatz pro Rampe betrug 3 Träger mit Gefechtskopf (GK). Die Reaktionszeit der RA von der Alarmierung bis zur Abschussbereitschaft der Rakete lag anfangs bei ca. 30 Stunden. Nicht ungewöhnlich bedenkt man, dass diese Truppen keinerlei Erfahrung mit der Verlegung dieser Systeme im Feld hatten. Vor den Systemen R-5 gab es nur die R-1 und R-2, aber keine ballistische Rakete strategischer Bedeutung mit Flüssigkeitstank und Trägheitsnavigation, die im Feldeinsatz in Normzeit in Stellung zu bringen war. Demnach wurde solange trainiert, bis die Normzeit den Vorgaben entsprach. Für "angemessen" hielt man dann später eine Normzeit von unter 5 Stunden. Andere Analysten schreiben 6 Stunden.

Die R-5M war eine flüssigkeitsbetriebene, 1-stufige ballistische Rakete mit (damaliger) strategischer Bestimmung, mit (in der Endversion) bis zu 1200 km Reichweite, zudem eine Weiterentwicklung der R-5. Gewicht des Gefechtskopfs (GK) betrug ca. 1,2 Tonnen. Der Mono-GK hatte eine Sprengkraft von bis zu 40 kt (Hiroshima "Little Boy" 13 kt TNT). Laut dem russischen Forschungsinstitut für Experimentalphysik (Russisches Föderales Nuklearzentrum) wurden auch 80 kt erreicht. Im Gegensatz zur R-5 konnte u. a. die Zielgenauigkeit verbessert werden. Die Möglichkeit der Reichweitensteigerung bei genauerer Zielpräzision war Ziel der modernisierten Versionen. Die R-5M konnte mit verschiedenen Gefechtsköpfen bestückt werden, unter anderem einen als Monogefechtskopf (моноблочная ВЧ) bezeichneten Nukleargefechtskopf. Dieser GK konnte im Gegensatz zu Mehrfachgefechtsköpfen, nur ein Ziel bekämpfen, gestattete aber die Wahl der Detonationsstärke in gewissen Grenzen.


Zielfindung/Zielsteuerung:

Die Zielgenauigkeit spielte in dieser frühen Phase der Entwicklung ballistischer Systeme bereits eine Rolle, konnte aber nicht optimal gewählt werden, da die Navigation (Zielfindung) nur über eine Trägheitsnavigationsanlage/Plattform (TNA, Kreiselstabilisierung [regelt Höhe und Flugbahn]) und Treibstoffzufuhr erfolgte, die eine höchst präzise Trefferwirkung auf das zu bekämpfende Ziel anfangs nicht sicherstellte. Der Kreisel zwingt sich durch die Trägheit der eigenen Masse in eine horizontale und vertikale Ruheposition. Wird diese Position verändert (Abweichung der Flugbahn zum Ziel), werden Steuerimpulse an die Ruder zur Korrektur der Flugbahn geleitet. Gleiches "einfaches" Prinzip erfolgt nach dem Senkrechtstart. Hier wird der Kreisel ab einer vordefinierten Höhe mechanisch durch Kippen in eine neue Lage gebracht, die es nun gilt wieder auszugleichen. Damit "kippt" der Träger in die ballistische Kurve.

Die Kreisel der TNA liefen vor, während und nach der Startphase unter Volllast auch in der höchsten Stufe der Gefechtsbereitschaft. Ein Grund, warum die Träger mit dem GK nur ca. 20 bis 30 Minuten in dieser höchsten Stufe der Gefechtsbereitschaft gehalten werden konnten. Für die großen Distanzen war die Steuerung der Rakete mit der TNA jedoch nicht genau genug. Um dem Manko der fehlenden präzisen Waffenwirkung entgegenzuwirken, wurde u. a. versucht, die Detonationskraft der Ladung und die Detonationshöhe zur Erreichung einer Flächenwirkung zu erhöhen bzw. dadurch auszugleichen. Zugleich wurde auch versucht, über die unterschiedlichen Detonationsverfahren eine wirkungsvolle Flächenwirkung auf verschieden viele Ziele zu erreichen. Die Zielabweichung soll bei +-1,5 km gelegen haben.  

Zur Erhöhung der Treffergenauigkeit wurde zusätzlich ein Funkleitstrahlsystem verwendet. Diese Zielführung vollzog sich vereinfach dargestellt über das abstrahlen Zweier parallel zum Ziel verlaufenden Leitstrahlen, die auf den Zielpunkt gerichtet wurden. Im Träger selbst ist ein Empfänger verbaut der die Signalstärken der Leitstrahlen misst und auf eine Gleichwertigkeit zwischen beiden Leitstahlen achtet. Verändert sich die Signalstärke zu Lasten oder zu Gunsten des "linken" oder "rechten" Leitstrahles erfolgen Steuerimpulse an Leit- und Ruderwerke des Trägers. So ist gewährleistet das der Träger mit GK immer in der Mitte zwischen den Leitstrahlen bleibt. Ein Abweichen der Rakete von der Flugbahn wurde somit verhindert. Die "Zielfindung" und damit ein Verlassen der ballistischen Kurve erfolgte mit dem Verschluss/Kappung der Treibstoffzuvor. Die Anordnung der Zielsteuerung ist in den Schemen ersichtlich. Dieser Aufbau begrenzt lediglich die Möglichkeiten der Anordnung der Startplätze in der Feldstellung. Die Annahme, damit eine nachträgliche einfache Zuordnung der damaligen Ziele ableiten zu können, liegt dennoch weiter im Bereich des unmöglichen. Denn zunächst bleibt die Wahl der Ziele ein Punkt der Spekulation. Je nach Ansicht verschiebt sich damit auch der Aufbau der Leitstrahltangenten. [16]

Das Leitstrahlsystem, eine deutsche Erfindung (im 2. Weltkrieg gegen England im Einsatz, V2) wurde für die sowjetischen Raketensysteme weiterentwickelt und fand auch später in der bemannten Raumfahrt seinen Einsatz als "System TRAL". [7], [10], [11], [12]

Die Ausrichtung (Richtungsbestimmung zum Ziel) des Trägers mithilfe des Theodoliten wird nach Betrachtung der Verfahrensweise an dieser Stelle formuliert. 

Nachfolgende Schemen und Bilder verdeutlichen den Aufbau und die Konstruktionsweise. [14]

Der Bunker für das deutsche Leitstrahlsystem in Frankreich


Im Kosmonautik-Museum in Schytomyr (Ukraine) erwartet den Besucher eine entmilitarisierte Variante der R-5M.

Merkmale der Rakete mit GK:
Länge: ca. 21 m
Rumpfdurchmesser: ca. 1,60 m
Ruderdurchmesser: 3,45 m
Startgewicht: ca. 28 t
Treibstoff: 92% Äthylalkohol, ca. 10 t je Träger
Flugdauer bis zum Ziel bei Maximalreichweite: ca. 11 min.
Indienststellung: 21.06.1956

(Quellen: http://www.kap-yar.ru/index.php?pg=230 ; https://rvsn.info/before_rvsn/ibrvgk_72.html ; https://rvsn.ruzhany.info/missile_ssystem_p01_06.html ; https://rvsn.info/missiles/r_5.html ; https://rvsn.info/library/docs/doc_1_0109.html ; https://document.wikireading.ru/62801 ; http://oruzhie.info/raketi/334-r-5m ; https://www.biblio.com/book/russian-strategic-nuclear-forces-press-pavel/d/997501352?aid=eurobuch ; https://warspot.ru/17413-yadernaya-pyatyorka ; http://epizodyspace.ru/bibl/energia46-96/02.html ; http://www.nic-rkp.ru/default.asp?page=museum_veterans_enterprise_karneev ; https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/111614 ; https://cosmosmuseum.info/ekspozicii/%20 ; https://www.globalsecurity.org/wmd/world/russia/r-5-pics.htm ; [14] https://rvsn.info/library/docs/doc_1_0110.html ; http://specnabor1953.narod.ru/avtor/YagunovKapJar.htm ; https://epizodsspace.airbase.ru/bibl/vehi/14.jpg ; https://mil.ru/files/files/kapyar/photos/index.html ; http://www.astronaut.ru/bookcase/books/afanasiev3/text/07.htm ; http://www.v2rocket.com/start/deployment/roquetoire_layout.jpg ; https://ru.wikipedia.org/wiki/ ; https://ru.wikipedia.org/wiki/Cholopow ; https://www.bernd-leitenberger.de/steuerungen-von-raketen.shtml ; https://www.ostron.de/Mechanik/Gyroplattform-1SB9-aus-SCUD-Rakete-Typ1.html ;


Im Netz bzw. in einem bekannten Videoportal kann jeder, der über die richtigen Suchbegriffe verfügt, Lehrfilme zum Thema Raketentechnik finden. Kaum zu glauben, es gibt auch Lehrfilme zum System R-5.

Der erste zeigt den Bahntransport zur Entladestelle, die Entladung, die gedeckte Vorbereitung des Trägers und des Gefechtskopfes, das ins Feld führen des Trägers und des GK, die Betankung, die Startvorbereitungen und den Start der Rakete:

Lehrfilm #1 - Зачетные испытания дальнобойной ракеты Р-5М с атомным зарядом -

Der zweite zeigt nur den Transport des Trägers zur Startstellung, die Arbeitsabläufe während des Aufrichtens der Rakete und den Start der Rakete (ob eine R-5 gestartet wird, ist schwer zu erkennen)

Lehrfilm #2 - Р-5М (8К51) - ракетный комплекс -

Einen ähnlicher Waggontyp wie im Film gezeigt. [10]


Der Stationierung der Systeme R-5M in der ehemaligen DDR ging vonseiten der Amerikaner 1957 das Projekt "Emily" voraus. Das Projekt "Emily" folgte der militärstrategischen Konzeption der NATO von 1957: "Massive Vergeltung/Massive Retaliation" (u. a. Unterstellung strategischer US-Raketen mittlerer Reichweite unter die Befehlsgewalt des Oberbefehlshabers [SACEUR] der NATO-Streitkräfte in Europa. Militärische Antwort mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, SIOP).

Das Projekt sah die Stationierung von Raketen des Typs "THOR" in England und die Stationierung von Raketen des Typs "JUPITER" in Europa wie Italien und der Türkei vor. Das Verhältnis der stationierten GK war 150 (THOR) : 12 (R-5M). Damit wäre es möglich gewesen, die amerikanischen, in England stationierten nuklearen Erstschlagmittel gegen den europäischen Teil der UdSSR zum Einsatz zu bringen, wenn dies der Präsident der USA für seine und in Abstimmung mit dem Premierminister des Vereinigten Königreiches angeordnet hätte, ohne die eigenen Trägersysteme in den USA zu nutzen. Zudem gab es für die amerikanischen Militärs ein "Papier" (Eisenhower Instructions), dass die Erstschlagentscheidung bei Abwesenheit und/oder Tod des Präsidenten regelte. Der vertraglich geregelte Bündnisfall ("Artikel 5/§ 5" NATO-Vertrages [gegenseitige Beistandspflicht]) hätte keine Rolle gespielt, da es sich um keinen Verteidigungsfall gehandelt hätte. Die "gegenseitige Beistandspflicht" basiert auf dem Dokument "NSC 5434/1" (Procedures for Periodic Review of Military Assistance Program) vom 18. Oktober 1954, welches die vorbestimmten Abläufe der militärischen Unterstützung (Foreign Military Assistance Programs) regeln sollte.

Mit dem Wissen der US-Streitkräfte (als Lieferanten des Systems an das Vereinigte Königreich) um die zum Stationierungszeitpunkt noch nicht vorhandene Soforthandlungsbereitschaft QRA (Quick Reaction Alert, eine ähnliche Variante der hohen Gefechtsbereitschaft gab es auch in den sowjetischen Streitkräften als Stufe 6 Bereitschaft) waren die britischen Luftstreitkräfte (RAF) nicht in der Lage, ihre Mission in zeitlich kürzesten Abständen zu erfüllen. Dadurch sah sich die US-Air Force gezwungen, im Betrachtungsabschnitt ihre Bomberflotten für den Nukleareinsatz zusammen mit der RAF auszubauen und umfangreiche Bomberkräfte in Großbritannien zu stationieren. Die waren zeitlich zwar für einen Erstschlag nicht so handlungsschnell, aber hatten strategisch gesehen eine viel höhere Handlungsreichweite als die frühen Träger "Thor" und "Jupiter".

Die Aufstellung und die notwendigen Betriebsabläufe für die Systeme "Thor" und "Jupiter" waren durch fehlende Kapazitäten der Bedienung und ihrer Schulungen erheblich in Zeitverzug geraten. Damit zeigte sich das die Aufnahme der Systeme an stationären Orten in dieser Masse als ganz schnelle Lösung nicht möglich waren. Die zu bewegenden Erdmassen für den Bau, das Betonieren des Startplatzes und die notwendige bauliche Struktur für Träger (liegend in einer Halle) ließen schon in den entsprechenden Auskunftsdokumenten des NSC (National Security Council – Nationaler Sicherheitsrat der USA), die der Heimatgalerie vorliegen erkennen dass eine Einsatzbereitschaft erst Ende 1960 - 1961 erreicht werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Systeme "R-5M" längst in die UdSSR zurückgekehrt und das Nachfolgesystem "R-12" nicht in die DDR verlegt.

Deshalb ist anzunehmen, dass die in der DDR bei Vogelsang und Neuthymen stationierten Systeme "R-5M" 1959 nicht mit dem Primärziel verlegt wurden, noch unfertige stationäre Abschussstellungen der amerikanischen/britischen, italienischen und/oder türkischen Systeme zu treffen. Die Ziele waren anderer Natur, aber auch strategischer Wirkung.

Die Stationierung der Systeme R-5M in der ehemaligen DDR (Vogelsang und Neuthymen) kann als eine erste und in dieser Zeit einzig machbare Möglichkeit angesehen werden, auf die Bedrohungslage (Strategic Air Command [SAC], Projekt "Emily") dieser Tage angemessen zu reagieren. Da weder die USA noch die UdSSR in dieser Zeit (1954) militärisch in der Lage waren, aus ihrem Land heraus den "Gegner" mit Raketen direkt zu bedrohen. Aus diesem Grund wurde es notwendig, verfügbare Systeme außerhalb des eigenen Landes zu stationieren.

Wie heute zugängliche Unterlagen in diversen Archiven zeigen, scheinen die großen gegnerischen Dienste Ende 1959/Anfang 1960 keine Kenntnis über die Stationierungsorte Vogelsang und Neuthymen gehabt zu haben. Einzelne Verdachtsmomente (siehe Standortkartei des BND), welchen anscheinend der nötige Beweis fehlte, sammelte allen voran der BND. Er hatte durch angeworbene Quellen aus der ländlichen Umgebung (Revierförster und auch Angestellte der Deutschen Reichsbahn) vermutlich bereits in der "Vorbereitungsphase" (Baumaßnahmen, Baufeldberäumung, Eisenbahntransporte) durch ungewöhnliche Aktivitäten in der Kaserne Vogelsang die Vermutung einer Stationierung sowjetischer "Raketenwaffen". Erst im August 1960 gab es erste Vermutungen über die Stationierung der Rakete "Shyster" (welche aus der Mai Parade 1960 in Moskau bekannt war) in Ostdeutschland. Allerdings wurden diese Mittel im Raum Jüterbog und Forst Zinna vermutet. Erst im März 1961 müssen die Auswertungen der Analysten der amerikanischen Dienste belastbar genug gewesen sein, dass sie in ihrem "Quarterly Intelligence Review" vom 31.04.1961 dem Thema auf mehreren Seiten Platz ließen. Nun wird auch der Ort "Vogelsang" erwähnt. [13]



So gibt eine Quelle in der Standortkartei des BND am 31.03.1957 (Blatt 14) an, dass "Erweiterungsbauten in den Jagen 206/209 und 224-228 ausgeführt werden und das Lager nunmehr vergrößert wird". Ab Februar 1959 nehmen die Meldungen über ankommende Baumaterialien (Zement, Kies, Splitt und Betonfertigteile) zu (Blatt 24). Selbst die Ausmaße der Betonplatten werden vermerkt.


Schließlich berichtet eine Quelle im April 1959 (Blatt 26):


"...soll ostw. vom Schwarzen Weg und hart S vom Schiesstand [...] eine Baustelle entstanden sein, an der nur Sowjets arbeiten. Die Baustelle ist ungewöhnlich scharf bewacht, an den Ecken befinden sich MG-Posten. Die Zufahrtsstraßen sind durch gefällte Bäume versperrt, [...]. An der Stelle sind Planierraupen oder Bagger eingesetzt, die eine größere Stelle bearbeiten und dabei in die Tiefe gehen. Nach Gerüchten handelt es sich um den Bau von Abschuss-Rampen.". [8]

Die Anlieferung weiterer "Betonfertigteile" wird im April 1959 (Blatt 27) beobachtet. Wieder werden die "Ausmaße" detailliert beschrieben. Weitere Quellenmeldungen über ungewöhnliche (zumindest für die westl. Dienste) Aktivitäten, welche von der üblichen Routine abweichen, werden auf weiteren Blättern der Standortkartei vermerkt. Auch der französische Dienst (NARZISSE), stützt die Feststellungen mit dem Hinweis (Blatt 33, Juli 1961 und Ende Sept. 59):

"Im Obj. soll im Laufe d. letzt. Jahr. eine Raketenabschussrampe gebaut worden sein [...].". "Baustelle an der Straße VOGELSANG - BURGWALL (ostw. Schw. Weg): Baustelle mit Stacheldraht umgeben. Bauarbeiten werden von Sold. mit Fm-Abz. durchgeführt. Betonplatten und Sockel (an STR. 2 gegeben, Rak.verdächtig). Am 4.10. wurde die Straße von VOGELSANG n. BURGWALL von ungef. 1 km westl. der E-Linie ZEHDENICK-HAMMELSPRING in westl. Ri gesperrt.". [8] 

Eine Meldung enthält sehr präzise Ortsangaben, denn es handelt sich um den "Jagen 207", welcher südlich direkt an den "Jagen 225" grenzt, wo eine "ungewöhnlich scharf bewachte Baustelle" liegt:

"Im Jagen 207 befindet sich ein sogenannter Pflanzgarten (in der Nähe Bauobjekt). Das Betreten dieses Gartens wurde erst durch das zuständige Ministerium erwirkt, unter sowj. Bewachung wurde das Arbeitskdo., das Pflanzen brauchte, in den Garten geführt.". [8]

Welches zuständige Ministerium mag hier wohl das Betreten einer Umgebung (Jagen 225) erwirkt haben, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft ein Trainingsraum für ein System entsteht, welches den DDR-Regierenden verschwiegen wurde und in dessen Ursache alle deutschen Arbeitskräfte vom Gelände verwiesen wurden? Denn ich gehe mal davon aus, dass es sich bei der "streng bewachten Baustelle" um die Übungsfeldstellung der R-5M handelte, welche ostw. des Schwarzen Weg im Jagen 225 lag/liegt. Eine weitere Meldung die viele Fragen in Hinblick auf Plausibilität aufzeigt. 
Auch bin ich skeptisch, ob die Meldungen und Hinweise zu den entladenen Baumaterialien als Indiz für den Baubeginn der Bunker o. ä. im Zusammenhang mit der Stationierung zu werten sind. Betonfertigteile oder auch Betonplatten können im Zuge des stetigen Ausbaus der Kaserne Vogelsang genauso gut für Garagendächer, Schleppdächer und/oder Plattenwege benutzt worden sein. Eine Verwendung dieser und ähnlicher Materialien ist variabel.


Nachfolgend möchte ich auf die Plausibilität und Authentizität einer Meldung in der Standortkartei DDR auf Blatt 18a vom 28.06. - 03.07.1958 eingehen, in der folgende Beobachtung beschrieben ist:

"In der letzten Zeit wurden wiederholt Lkw beobachtet, die am rückwärtigen Fahrgestell unter dem Kasten folgende Schilder (50-60 cm lang, 15 breit) rechts rot, links gelb befestigt hatten. Die Lkw transportierten meist Sand und Ziegelsteine aus Richtung ZEHDENICK nach VOGELSANG: Lkw B 8-32-50. Seit etwa 1.7. sind die Schilder abgedeckt. An diesem Tage wurden Lkw mit Loren und Schienen in Richtung Vogelsang fahrend festgest." [18]

Diese Notiz in der "Standortkartei DDR - B 206-114 (Vogelsang) wurde und wird sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart häufig als das allumfassendes Beweismittel für den Beginn der Errichtung/Schaffung einer Infrastruktur zur Lagerung sowohl der nuklearen Mittel der Systeme R-5M ("Bunker"), als auch seiner notwendigen Träger- und Logistikmittel auf dem Gelände der GSSD Garnison Vogelsang in der 1. Jahreshälfte 1958 angeführt. 

Um es ohne Erklärung vorwegzunehmen, in dieser These steckt mir zu viel unbelegbare Interpretation. Warum? Zunächst sollte grundlegend beachtet werden, dass der Urheber der Zeilen auf der Kartei ein Auswerter im Amt war. Die Zeilen auf den Karten sind die Kurzfassungen der Auswerter auf Basis der ihnen vorliegenden Rohinformationen (Berichte) der Quellen. Es werden keine Angaben zu "Auswertung" und "Analyse" bereitgestellt. Hier besteht bereits die Gefahr einer Fehlinterpretation oder eines Verständigungsfehlers des Auswerters gegenüber der Quelle (er, der Auswerter war nie vor Ort, konnte möglicherweise somit keine Rücksprache mit der Quelle führen). Demnach besteht für uns Historiker nur die Möglichkeit, mit den vorhandenen Daten eine Wertung vorzunehmen.

Hier geht der 1. Blick auf die Quelle der Meldung. Jede Information trägt eine BND-interne Registriernummer, in diesem Fall "E 14093", die den Zugang der Information erklärt. Ohne den "Schlüssel" hierzu ist eine Wertung des Zugangs für uns nicht möglich. Danach folgt die Nennung des Typ der Quelle, in unserem Fall "V 18967". Auch dies kann von uns als Historiker verständlicherweise nicht beurteilt werden. Wir kennen die Definition der Quellentypen nicht. Wären es Partnerdienste (Fleurop, Frankreich=Narzisse, Großbritannien=Aster, Dänemark=Begonie, USA=Hortensie) würde es ebenso wie extra geführte Quellen (Funküberwachung BND = Laus/BM, Republikflüchtige = Diana, Überläufer = Titus/Mosel) zumindest dahingehend einfacher sein, da unter "Fachleuten" eine gleiche Schreib- und Definitionsordnung gilt. Aufklärer hatten vorgefertigte Karten mit Kfz/Lkw-Typen des Gegners. Somit würde ein Verständigungsfehler annähernd unwahrscheinlich sein. [17]

Der 2. Blick geht auf die Kennung hinter der Quelle, "C 3". Diese beschreibt die Zuverlässigkeit und den Wahrheitsgehalt der Information. Wobei "A 1" bedeutet: "sehr zuverlässig und von der anderen Seite bestätigt". Hingegen "F 6"  als Definition den Titel "kann zurzeit nicht beurteilt werden/nicht zu bewerten" trägt. Wo ordnen wir nun "C 3" ein? Ich nehme an, es wird sich um eine deutsche, ortsansässige (eventuell Arbeiter in der Garnison) Quelle handeln. [17]

Das bringt dann auch den Inhalt der Information erheblich in Schieflage. Warum ich den Wahrheitsgehalt einer Vielzahl der Meldungen infrage stelle, hat seinen Ursprung in der persönlichen Prüfung einzelner Meldungen, entweder Vor-Ort oder mit Zeitzeugen. Ein Dienst arbeitet mit ortsansässigen Quellen immer mit der einfachsten Methode, Geld! Ich traue geschickten oder schlitzohrigen Bewohner durchaus zu Informationen zu melden mit der Gewissheit, dass diese ohnehin nicht geprüft werden. Nach dem Motto. "Was die hören wollen, bringt schnelles Geld!". In diesem Fall ist die Information auch nicht nachprüfbar, da sie auch nur 1x passiert scheint. Der Lkw ist vorbei und für eine spätere Prüfung sind die Schilder entweder entfernt oder abgedeckt worden. Fertig!

Betrachten wir die Zeichnung. Hierzu ist nicht belegbar, ob der Auswerter diese 1:1 fertigte oder einzelne Elemente der Quelle vielleicht undeutlich waren und der Auswerter ergänzte. Eigentlich hätte der Auswerter mit einem Blick in den Fahrzeugkatalog der sowjetischen Streitkräfte feststellen müssen, dass ein "ГАЗ 61" natürlich nicht "Sand und Ziegelsteine" transportieren kann. Selbst späteren Modifikationen wäre schwergefallen, größere Mengen dieser Baustoffe zu transportieren. Abgesehen davon macht es überhaupt keinen Sinn, den Fahrzeugtyp auf ein gelbes Schild zu schreiben. Keine Armee der Welt schreibt den Typ des Fahrzeugs auf ein gelbes Schild am Heck. Im Gegenteil, meist tragen Fahrzeuge Typenbezeichnungen in Wagenfarbe oder aus Tarnungsgründen überhaupt nicht. Auf der linken Seite fällt auf das diese Form der Nummernschilder für sowjetische Normen völlig untypisch ist. Die Nummernschilder waren zumeist am Heck in quadratischer Form, schwarz mit weißer Schrift und in der Reihenfolge: Zahlen - Zahlen - Buchstaben. Jeder DDR-Bürger kennt den Spruch: "weiße Schrift auf schwarzem Grund, fahre rechts und bleib gesund". 

Als Letztes bleibt noch der rechts angebrachte Schriftzug "ATOM". Wie sollte dieser hinterfragt werden? Eigentlich unnötig. Nur einige Eckpunkte meiner Gedanken. Ein endlich in der Nutzung bestätigtes neues Raketensystem mit einem atomaren GK soll erstmalig außerhalb der Landesgrenzen und unter strengster Geheimhaltung verlegt werden, der Partner DDR wird nicht informiert, das Gebiet der Dislozierung wird abgesperrt, alle deutschen Arbeiter werden des Geländes verwiesen, die für die Verlegung bestimmten Einheiten und Truppenteilen werden über Ziel und Aufgabe nicht informiert. Die Militärabwehr der sowjetischen Streitkräfte läuft auf Hochtouren (Berichte der HA II des MfS aus diesen Zeiträumen hingegen sind mir bisher nicht bekannt)...und, dann fahren die Lkw's mit dem Baumaterial in eine Garnison, von der der Gegner entsprechende Vermutungen hat mit einem Schild "ATOM"? Für wie blöd hält man eigentlich die sowj. Skr? 

               


Das untere Bild zeigt den Vergleich zur Position der Übungsfeldstellung System R-5M in der Nähe der Garnison (MS N° 13) auf Luftaufnahmen von 1965 (Satellit Coroner) und Befliegung 1991. Augenscheinlich hatten die Coroner Satelliten 1965 keine Übungsfeldstellung (roter Kreis), wie die Bilder der ersten Befliegung von 1991 im Blick. Gut gedeckt oder nicht vorhanden? Der Leser merkt, vieles ist spekulativ. Natürlich wussten die sowjetischen Streitkräfte um die Zeiten, wenn bestimmte Satelliten in deren Umlaufbahnen zum Einsatz kamen.


Zum Aufbau der Bogendeckung (AU):

Zunächst sollte es für den Ausbauzustand zwei Betrachtungszeiträume geben. Zum einen den von ca. 1965, belegt durch eine Satellitenaufnahme der "Courtesy of the U.S. Geological Survey" und zum anderen den Zustand, belegt durch eine Luftaufnahme vom 05.07.1991. Aufnahme von 1958-1964 sind mir nicht bekannt. Somit bleiben neben Ausbaumerkmalen, Materialprüfungen und eben diesen Aufnahmen keine weitere Indizien für eine qualifizierte Wertung.

1965: hier fällt auf das die östlich gelegene Bogendeckung bereits fertig errichtet, begrünt jedoch nicht bepflanzt ist. Im vorderen Bereich ist der Anbau vorhanden, jedoch fehlen an beiden Seiten die Krananlagen (was wiederum gegen einen Lagerort spricht). Der Bereich rund um die Bogendeckungen ist mit einer Sichtschutzmauer umgeben. Weiterhin fällt auf das der Weg zum hinteren Tor wenig befahren scheint. Die hintere westlich gelegene Bogendeckung ist 1965 noch im Bau. Am Anbau fehlt das Dach und wenn die Aufnahme richtig gedeutet werden kann, wurde zu diesem Zeitpunkt nur das Fundament gefertigt und die beiden Abschlusswände an den Kopfenden gestellt. Die Bögen der Deckung fehlen gänzlich.


1991: die östliche Bogendeckung hatte eine große LKW-Rampe mit gedeckter Lagerzuführung (diese ist vermutlich mit Bildung der gemischten Raketenbrigaden [RBr.] Mitte der 80er Jahre, entstanden). Beide Bogendeckungen verfügten über zwei Portalkrananlagen mit je zwei Laufkatzen, doubliert an den jeweiligen Kopfenden. Möglich bleibt das die Portalkrananlagen und die Anbauten können in späteren Jahren erweitert und/oder verändert worden sind. Beide Zugänge an den Stirnseiten waren durch große Flügeltore (tschechischer Fabrikation) verschlossen und am hinteren Außenbereich mit Tarnnetzen gedeckt. Aus welchem Zeitraum die Nutzung dieser Tarnmaßnahme stammt lässt sich nicht klären. Die hinteren Außentore konnten nur von innen geöffnet werden. Dieser gesonderte Objektteil mit den Bogendeckungen war durch eine umlaufende Mauer von außen nicht einsehbar. Zusätzlich verfügt die östliche Bogendeckung über eine Sichtschutzwand "neueren" Bauart am hinteren Außentor. Diese umlaufende Mauer trennte diesen gesonderten "Bereich" vom restlichen Objektgelände. Der berechtigte Zutritt zum Objekt wurde durch zwei Zugangskontrollen sichergestellt. Geschützt wurde dieser Bereich durch eine Vielzahl von Objektverteidigungsanlagen/Rundumverteidigungen, Beobachtungstürmen und während der Nacht ergänzt durch eine Hundelaufanlage. Besetzt durch speziell geschultes Personal. Dieses war direkt an der Objektgrenze untergebracht und hatte hier klar definierte Postenbereiche.


Der Innenbereich der Bogendeckungen ist/war in mehrere (vier) Bereiche unterteilt. Über den Anbau war der 1. Raum, eine Art "Produktschleuse" zu betreten. Das angelieferte "Produkt" wäre empfangen und für die Übergabe zum "Montagesaal" vorbereitet worden. Der nachfolgenden 2. Raum/Saal (räumlich der Größte) könnte als "Übergabeschleuse/Übergabepunkt" bezeichnet werden. Möglich das die "Produkte" hier zur Übergabe an Raum 3 bereitgestellt worden wäre bzw. aus Raum 3 zur Abholung "zwischengelagert" werden konnte. Dem Personal aus Raum 1 kommend, war es nicht möglich, den 3. Raum zu betreten. Gleichzeitig konnte Raum 1 nicht von Raum 3 kommend betreten werden. Dies bedeutet, dass das Personal in Raum 1 nicht wusste, wie die Abläufe in Raum 3 gestaltet sind. In diesem 3. Raum, dem "Montagesaal" könnten arbeiten an den "Produkten" erfolgt sein. Alle drei Räume waren durch Wände und Tore getrennt. Im hinteren Teil der Bogendeckung schließt ein Flurtrakt mit den technischen/technologischen Arbeitsräumen an, der durch eine Trennwand mit Flügeltor vom "Montagesaal" getrennt war.

Der 3. Raum war sowohl vom 2., als auch vom Bereich der technischen Arbeitsräume zusätzlich zu den Toren mit einem "Vorhang" (in Neuthymen noch ersichtlich) an den Zugängen gegen unberechtigten Einblick gesichert. Es wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zwei-Personenprinzip zum Betreten der "Montageräume" und "Übergabebereiche" praktiziert. Dem Montagepersonal war es NICHT möglich, den gesamten Bunker von einer der beiden Seiten komplett zu durchqueren. Dies wurde durch ein simples, aber dennoch effektives Sicherheitsprinzip an den Toren der "Montage- und Übergaberäume" verhindert. Zusätzlich gibt es verschiedene Anzeichen/Merkmale, die gegen eine dauerhafte Anwesenheit von Personal sprechen (wie in Lagern üblich). Ähnliche Merkmale waren in den Bauwerken vom Typ GRANIT der Gruppe "GLOBUS" am FP Groß Dölln zu sehen. Der fachkundige und aufmerksame Beobachter findet sehr schnell die entscheidenden Merkmale im Gegensatz zu den bekannten Lagern/Arsenalen.

"Die Möglichkeit eines unbefugten Betriebes der Kernladung vor der Inbetriebnahme wurde durch die Einführung des Barometers in das Automatisierungssystem ausgeschlossen, der einen Pol der Stromversorgung erst beim Überschreiten des höchsten Punktes der Trajektorie (ballistische Kurve) verband und bei Eintritt bestimmter Überladungen in die dichten Schichten der Atmosphäre durch einen Inertialsensor mit dem zweiten Pol verbunden war."

Eines der Merkmale, die gegen ein Lagerregime für nukleare Komponenten sprechen, sind u.a. auch die Spaltmaße an den Toren der Stirnseiten. Dieses Spaltmaß ist nicht aufgrund mangelnder Baukunst oder etwa Termindruck entstanden. Es resultiert aus den Konstruktionen der Torscharnieren, die u.a. ein "aufschwingen" sicherstellen sollen und aus dem einfachen Grund, dass ein hermetisieren des Bauwerks nicht gewollt bzw. geplant war. Anderenfalls wäre es ein leichtes gewesen, die Tore mit dem Torblatt auf dem Rahmen der Torzarge mit Dichtung aufliegen zulassen. Hinzu kommt, dass es sich um einen Typbau handelt (Pläne zeigen, dass keine "Vogelsang" oder "Neuthymen" Varianten projektiert wurden), der in allen denkbaren Klimaregionen gebaut wurde bzw. werden sollte. Verbautes Material unterliegt folglich den Temperaturschwankungen, was sich an Spaltmaßen bemerkbar machen kann.

Nachfolgende Grafik verdeutlicht die Konstruktion der Torscharniere und die daraus folgenden Spaltmaße.


Wie oder mit welcher Bestimmung die drei großen Räume im Zusammenhang mit der Stationierung der Trägersysteme der R-5M genutzt wurden, ist derzeit nicht belastbar bekannt. Mir zumindest nicht. Aufgrund der Merkmale verbindlicher Normativen, der Dokumentation (Vermessung) und bekannter Wartungs- und Dienstvorschrift könnte damit eventuell nur die mögliche Nutzung der Räume, nicht aber deren Inhalt geklärt werden. Eine dauerhafte Lagerung von GK des Systems 8K51 in der Bogendeckung kann aber definitiv ausgeschlossen werden. 

Alles Weitere bleibt spekulativ. Anzumerken wäre natürlich, dass meine Darstellungen zur Nutzung der Bunker sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein können und die Wahrheit irgendwo dazwischenliegen wird. Derzeit liegen mir nur solche Erkenntnisse vor, die auf die "Montagevariante" schließen lassen. Des Weiteren kann es nicht schaden, die Zeiträume vor der Verlegung der R-5 im beschriebenen Objektteil etwas genauer zu betrachten. Auch da werden Merkmale sichtbar, die gegen eine Lagervariante sprechen.

Beide Bogendeckungen hatten einen Fernwärmeanschluss, der in einem Wasserkreislauf endete. Dieser war in Folge als Heizung über einfache Wandrohre ausgeführt und konnte zusätzlich über einen Abzweig zum Heizregister die so entstandene Wärme der Zuluft beigemischt werden, sodass die zugeführte Außenluft (Zuluft) in der Kälteperiode erwärmt werden konnte, um über die Lüftungskanäle das Bauwerk zusätzlich zu erwärmen. Mehr Lüftungs- und Klimatechnik sind in dem anzutreffenden Ausbauzustand nicht zu erkennen.
Vier Räume im Trakt der technischen Arbeitsräume waren in eine separaten Umluftanlage eingebunden. Dazu gab es einen Umkleideraum (Гардероб) und einen Waschraum mit Handwaschbecken (Умывальник).

Das im südlichen Teil des Geländes gelegene Objekt (Militärstädtchen Nr. 13, ugs. "Raketenlager") wurde nach Rückführung der Systeme R-5M (September 1959) zum größten Teil u.a. durch die sst. Raketenabteilung (RA)/Bewegliche Raketentechnische Basis (BRTB) der Division/Armee genutzt.
Auch die Bogendeckungen wurden nach Abzug der RA der 72. Ing. Brigade durch die BRTB der Division/Armee für nachfolgende Systeme (zb Luna M) weitergenutzt. Unter welchen Maßgaben und zu welchem Zweck, ist bisher nur für die Jahre 1979-81 geklärt. Es ist anzunehmen, dass die Bogendeckungen auch in früheren und späteren Zeitachsen ihrer Zweckbestimmung folgend genutzt wurden. Die in unmittelbarer Umgebung befindlichen Garagenkomplexe wurden auch in späteren Zeiten für die Unterstellung von Träger- und Versorgungsfahrzeugen der BRTB genutzt.

Vorgesehen war ab 1960 die Stationierung der Systeme R-12 (SS-4 [Sandal]), eine Weiterentwicklung des Systems R-5M. Diese Stationierung wurde jedoch nicht vollzogen, da die weiterentwickelte R-14 u.a. durch höhere Reichweite eine Stationierung der R-12 auf dem westlichen Kriegsschauplatz (KSp) überflüssig machte. Die Feldstellungen hierfür wurden jedoch errichtet und teilweise komplett ausgebaut. Jeweils 4 Feldstellungen lassen sich in den Wäldern bei Lychen und Tangersdorf finden. Jede dieser Feldstellungen hatte etwa 12 Fahrzeuge und entsprechend Bedienungspersonal aufzunehmen, um die nötigen Betriebsabläufe, wie etwa Betankung, das Aufrichten und weitere Startvorbereitungen sicherzustellen. Zusätzlich gab es in etwa 100 - 110 m Entfernung zu jeder Feldstellung einen Beobachtungsbunker für den Batteriechef.

Zum Verständnis ein paar Bilder der vorbereiteten Feldstellungen für die R-12 (SS-4) bei Vogelsang von R. Löhder (vielen Dank!) [6]:



Die spätere Entscheidung (1961) der Stationierung der Systeme R-12 und R-14 auf der Karibikinsel Kuba war möglicherweise ein weiterer Schritt, um im Ergebnis den vollständigen Abzug der Raketen des Typs "THOR" und "JUPITER" zu erreichen.


Bild 2 zeigt einen Zeitungsartikel der "Krasnaja Swesda" vom April 1999. In diesem Artikel "Russische Raketen auf Deutschem Boden" (A. Dolinin) erläutert Oberst Y. Grekov (Mitarbeiter der militär-historischen Gruppe des wissenschaftlich-technischen Komitees der RWSN) erstmalig öffentlich die damaligen Hintergründe und technischen Abläufen zur Stationierung (und Verlegung) der Systeme R-5M in die DDR.

Bild 3 zeigt ein weiteren Artikel von A. Dolinin in der "Krasnaja Swesda" vom Oktober 1999 zu den Abläufen, Hintergründen und Entscheidungen zur "Operation Nebel" (Vorbereitungen der Verlegung der Systeme R-12 in die DDR, nach Vogelsang und Fürstenberg)

Bild 1 und 4 zeigen die beiden Feldstellungen der R-5M in Vogelsang und Neuthymen. [1], [2], [5], [6], [8]

(Bildquellen: Bild 2: M. Bansemer, Bild 3, 4: Staatsbibliothek München, Bild 1, 5: Archiv heimatgalerie,)


Übersicht einiger Standorte der Raketen "THOR" in England [3], [4]:

Feltwell - 77th RAF SMS - 15 THOR
Hemswell - 7th RAF SMS - 15 THOR
Driffield - 8th RAF SMS - 15 THOR
North Luffenham - 44th RAF SMS - 15 THOR


Bild 1: Gefechtskopf der R-5M auf Montagewagen
Bild 2: Meldung über die Sichtung der Eisenbahntransportwaggons am Bahnhof Frankfurt/Oder im April 1959 durch "FLEUROP" [Anm. Partnerdienste des BND] (Auszug aus Standortkartei des BND)
Bild 3: Übersichtskarte aus dem Vierteljahresbericht der CIA vom 31. März 1961 zu sowj. Eisenbahntransporten mit Verdachtsfall
Bild 4: Meldung über die Absicherung am Standort Neuthymen im April 1959 durch "FLEUROP/ASTER" [Partnerdienst, Großbritaninen] (Auszug aus Standortkartei)
Bild 5: Meldung über die Entladung von Trägermitteln und deren Verbringung zum Standort Neuthymen im Januar 1959 [Anm. zeitlich etwas früh] (Auszug aus Standortkartei), allerdings stört mich das Wort "Bomben" etwas
Bild 6: Eisenbahntransportwaggon für den Transport der Trägermittel der R-5M [9]
Bild 7: Darstellung der Eisenbahntransportwaggons im Vierteljahresbericht der CIA vom 31. März 1961 nach Sichtung 

 

Stand: April 2023

(Quellen: [1] P. Rentsch; [2] Team + Archiv Heimatgalerie; [3] "Project EMILY: Thor IRBM and the RAF"/J. Boyes; [4]: http://albiefield.co.uk/UK/OPEMILY/index.htm; [5]: Nordatlantikvertrag; [6] Bilder R-12 Vogelsang: Ralf Löhder; [7] Dr. M. Uhl "Stalins V-2" S. 236/238; [8] BA Koblenz-BND-Militärische Lage-Bestand B 206/114-Standortkartei DDR-1950-1976; [9] Youtube; [10] "Making The (Right) Connections"/Charles Tuten 2006; [11] https://rvsn.info/before_rvsn/ibrvgk_72.html, https://rvsn.info/missiles/r_5.html; [12] http://oruzhie.info/raketi/334-r-5m, http://militaryrussia.ru/blog/topic-268.html, http://rocketpolk44.narod.ru/satana/r5m.htm); [13] CIA-RDP79-B00972A000100100002-8, CIA-RDP79-TO1003A000900410001-6, CIA-RDP78B04560A000100010017-6; [15] B. Pohler; [16] https://www.bernd-leitenberger.de/steuerungen-von-raketen.shtml; [17] "BND contra Sowjetunion" (A. Wagner/M. Uhl); BArch B206-114